Gastbeitrag
Im Rahmen dieser Lehrveranstaltung wurden Gäste aus verschiedenen Fachrichtungen dazu eingeladen einen Gastbeitrag zu dem Thema „FREI:RAUM“ zu erstellen. Der erste Beitrag stammt von (Assoc.Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn.) Franziska Hederer. Sie ist Architektin, Raumtheoretikerin, Philosophin und lehrt an der technischen Universität Graz am Institut für Raumgestaltung. (http://www.raumgestaltung.tugraz.at/)
Gedanken zum FREI:RAUM von Franziska Hederer
Eine Archäologie des Freiraums
Architektur beginnt an den Schnittstellen zwischen innen und außen, zwischen dem Öffentlichen und dem Privaten. Sie handelt daher nicht nur von Gebäuden und wie diese aussehen, sondern auch davon, wie Gebäude und Raum zueinander in Beziehung stehen und wie Menschen zum Raum und untereinander in Beziehung treten. Sie stellt Fragen nach den Grenzziehungen und Übergängen, den Schwellenräumen, die das Verhältnis dieser Dualitäten letztendlich in gebauter Weise definieren. So werden auch Räumlichkeiten durch die Begegnung von öffentlich und privat sowie von innen und außen festgelegt. Die Art und Weise der Begegnungen definiert nicht nur die Qualität der Räumlichkeiten, sondern ebenso ihre architektonische Form. Je nach Gestaltung unserer Architekturen können Beziehungsfelder unterschiedlicher Qualitäten hergestellt werden. Streng architektonisch gesprochen, geht es dabei um die Formulierung einer Beziehung zwischen innen und außen, zwischen öffentlich und privat, zwischen dem Eigenen und dem Fremden, zwischen mir und meinem Nachbarn. Architektur handelt also davon, eine Beziehung zwischen einander gegenüberstehenden Positionen herzustellen und diese zu gestalten.
Mit dieser Auffassung zur Architektur tritt das kommunikative Potenzial der Architektur zutage und es stellt sich unmittelbar eine Verbindung zu gesellschaftlichen Fragestellungen des Miteinanderseins ein. So beschreibt auch Peter Sloterdijk in seinem Buch „Der ästhetische Imperativ“ das Haus als „eine plastische Antwort auf die Frage, wie jemand mit jemanden und etwas in etwas zusammen sein kann“ (Sloterdijk. 2007. S. 260).
Freiräume tragen in sich das Potenzial, auf Handlungsbasis genau an der Auslotung dieser Frage anzusetzen, da ihre Grenzlegungen nicht einer exakten oder besser starren Definition unterliegen. Es sind gebaute Orte, die eher ein basisstrukturelles Raumgerüst anbieten oder sich in ein solches einklinken, als bestimmte Inhalte, Nutzungen und Funktionen vorzuschreiben. Freiräume unterliegen daher keinem vordefinierten Reglement im Sinne einer Nutzungsbeschreibung. Sie bieten die Möglichkeit zum freien Agieren und Handeln an der Schnittstelle zwischen innen und außen, dem Privaten und dem Öffentlichen sowie dem Eigenen und dem Fremden. Es sind Möglichkeitsfelder, in denen eine die üblichen Raumgrenzen überschreitende Dynamik entsteht. „Architektur darf sich nicht auf den Innenraum verengen, auf eine homogene, kontrollierte Umwelt, die einzig den Komfort der Bewohner im Inneren des Hauses im Blick hat. Ich bin eher an der Erschaffung einer neuen Art von Umwelt interessiert, die das Innere zum Außen und das Außen zum Inneren macht.“ (Ishigami. 2012. S. 19)
Bezugnehmend auf eine Auseinandersetzung mit dem Thema Frei:Räume ist zu unterscheiden zwischen einem herkömmlichen Raumgebrauch, der konkret vorgegebenen Nutzungen folgt, und der Raumaneignung, die auf wahrnehmender und handelnder Ebene der Erschließung nicht nur des physischen Raums, sondern auch des sozialen sowie des geistigen Raums folgt, um sich darin Orientierung schaffen zu können. Es geht um räumliche Auskundschaftungen, um ein Erforschen von Raumgrenzen und den sich aufspannenden Möglichkeitsfeldern unter Einbeziehung des Unvorhersehbaren und nicht um das bloße In-Besitz-Nehmen eines vorhandenen, vordefinierten Raumgefüges. Vielmehr ist darin das Bespielen eines Raums gemeint, dem das In-Kontakt-Treten mit dem bestehenden Umfeld eingeschrieben ist. Freiräume sind Spielfelder. Erst durch den Akt der Raumaneignung werden diese Felder zum Raum. Das Spielfeld verwandelt sich durch das Spielen selbst zum Freiraum, in dem Entwürfe des Handelns und deren Realisation stattfinden. Seine Grenzen sind immer an die Art der Bespielung und die jeweiligen Reglements gekoppelt und damit veränderlich. Allein aufgrund dessen entziehen sich diese Orte unseren gewohnten und gewöhnlichen Kriterien der Wahrnehmung von Raum, welche immer mit vordefinierten Grenzverhältnissen, mit einer klaren Unterscheidung zwischen innen und außen operiert und sich an allgemeinen Wertvorstellungen, welche mit Dauer und Repräsentanz verbunden sind, orientiert.
Versteht man Raumaneignung als performativen und gestaltenden Prozess zur Raumerschließung, so ist unsere Wahrnehmung im Speziellen im Bezug auf Freiräume gefordert, sich auf veränderbare Grenzverhältnisse einzulassen und selbst andere Kriterien der Raumbewertung wirksam werden zu lassen. Innerhalb dieser Wahrnehmungsweise sind es nicht mehr die Bewertung und Kategorisierung des Raums allein nach seiner materiellen Ausgestaltung in Kriterien wie gut oder schlecht, schön oder hässlich, effizient oder nicht effizient, da das, was an einem Ort als schön bewertet wird, andernorts genau gegenteilig aufgefasst werden kann oder als derartige Kategorie gar nicht zur Verfügung steht. Im performativen Prozess der Raumaneignung wird der Raum selbst als aktive Körper-Umwelt-Interaktion aufgefasst, was uns ermöglicht, den Raum über das Erkennen der jeweiligen Möglichkeitsfelder, die er aufspannt oder eben auch nicht aufspannt, zu beurteilen und zu deuten. Die Qualität von Freiräumen wird dahingehend beurteilt, in welcher Gewichtung die Möglichkeitsfelder zum tatsächlich Möglichen stehen und in welche Richtung der Bespielung, insbesondere des sozialen Raums im Sinne von Begenungen, er verweist. Räume werden dann nicht mehr in Länge mal Breite mal Höhe oder sonstigen definierten Normen gemessen, sondern in verschiedenen Intensitäten, die durch unterschiedliche Ereignisdichten spürbar werden. Es ist dies eine Raumauffassung, innerhalb derer sich das Soziale mit dem Gebauten verwebt und damit Räume entstehen lässt, Innenräume und Außenräume, die wie Landschaften ineinander übergreifen.
Zur Grenzlegung von Freiräumen
Grenzen sind die Ränder von Räumen, so zumindest wird dies bei Wikipedia festgehalten. Das ist, wenngleich eine nachvollziehbare, so aber keine ganz glückliche Behauptung. Sie führt nahezu unweigerlich zu dem Gedanken, der Raum sei eine absolute Kiste, womöglich eine betonierte, in der man sich befindet, um nicht zu sagen, in der man, verzweifelnd nach einem Ausgang suchend, umherirrt. Dieses geschlossene Modell des Raums haben wir an sich mit dem Beginn der Neuzeit und der Vorstellung eines unendlichen Universums begonnen zu überwinden, mit dem Ergebnis, dass sich in gewisser Weise ein Verlust des Raums einstellte, da wir uns in unserer Vorstellung seiner Grenzen entledigt haben. Um sich aus der Orientierungslosigkeit dieser unendlichen Raumvorstellung zu befreien, ist es heute mehr denn je vonnöten, sich den Raum wieder anzueignen, über seine Grenzlegungen nachzudenken und Modelle zu entwickeln, die uns Möglichkeiten und Handlungsraum zur Grenzlegung geben, ohne dass man sich selbst in einer neuen, sagen wir postmittelalterlichen, Kiste gefangen nimmt. Ist von Freiräumen die Rede, so sind der Raum und damit auch die Architektur keine Kiste oder ein Behältnis, sondern ein fließendes Feld für Begegnungen und Ereignisse.
Betrachtet man die Grenze von ihrer Entstehung aus, so trifft man auf ein eigenartiges Phänomen, dem ein grundlegender Widerspruch eingeschrieben ist. Als Differenzen festlegende Trennung entsteht sie nämlich genau aus ihrem Gegenteil, dem Kontakt. Im Kontakt fallen Verbindendes und Trennendes ineinander und die Grenze ist gleichsam erreicht wie auch überwunden. Das Trennende, die eigentliche Grenzziehung, geht also als Resultat des Kontakts hervor, obwohl diesem im Eigentlichen die Grenzauflösung eingeschrieben ist. Es ist daher die Art und Weise des Kontakts entscheidend sowie der Umgang mit diesem, ob Grenzen entstehen oder eben nicht, wie sie gestaltet sind und wie diese Grenzen wirksam werden.
Ein häufig auftretendes Motiv zur Grenzlegung ist neben dem Abstecken von Besitzverhältnissen der Kontakt im Konflikt. Er kommt, um dem Ursprung des Worts gerecht zu werden, einem Zusammenstoß gleich. Grenzen entstehen demnach dort, wo Zusammenstöße passieren. Zusammenstöße sind Begegnungen im Aufprall. Unfälle gleichermaßen, oft weder beabsichtigt oder erwartet noch vorhersehbar. Sie sind plötzlich. Laut diesem Gedanken sind Grenzen damit nicht per se vorhanden, sie entstehen unvorhergesehen und werden aus der Plötzlichkeit eines Aufpralls hinterlassen. Das aber ist keine befriedigende Grenzbeschreibung. Nein, es ist eine unglückliche, vor allem dann, wenn die Grenze, wie zuvor erwähnt, den Rand eines Raums beschreibt. Der Raum, der sich hier auftut, der des plötzlichen Aufpralls, gewissermaßen ein Freiraum, ist nämlich einer, auf den wir keinen Einfluss nehmen. Wir sind ihm ausgeliefert und müssen ihn hinnehmen. Seine Grenzen machen eher Angst, als dass sie uns Orientierung zu geben vermögen. Wir versuchen erst gar nicht, an solche Grenzen zu gehen, vermeiden tunlichst Konflikte, hüten uns vor Zusammenstößen und engagieren uns daher weder für eine Grenzziehung noch für eine Grenzauflösung. Dieses fehlende Engagement an der Grenze, das zugleich ein Engagement am Freiraum bedeutet, ist bezeichnend für unseren Rückzug, für unsere Eingrenzung in das Private, gepaart mit einem vollkommenen Desinteresse an der Öffentlichkeit, am Freiraum.
Trotzdem ist der Idee einer unvorhergesehenen, plötzlichen Grenzlegung etwas abzugewinnen, nämlich aus ihrer Abenteuerlichkeit heraus, welche zu erfahren ist, sobald man sich darauf einlässt. Es liegt diesem Gedanken visionärer Charakter zugrunde, von dem aus es sich lohnt, ihn weiterzudenken und nicht sofort zu verwerfen.
Engagement an der Grenze und damit am Freiraum bedeutet, an Kontakten im Sinne von Begegnungen welcher Art auch immer zu arbeiten, sich für den anderen, für die Öffentlichkeit zu interessieren und die Raumgrenzen aus dem eigenen Handeln heraus wahrnehmbar zu machen und notwendigerweise zu definieren. Architektonisch betrachtet, bedeutet dies nicht, Grenzzustände festzulegen, sondern im Entwurf Grenzumstände zu verhandeln. „Gib einem Gedanken einen Stoß“, schreibt John Cage in seinem „Vortrag über Nichts?“‚ „er fällt leicht um, aber der Stoßende und der Gestoßene erzeugen die Unterhaltung, die man Diskussion nennt.“ (Cage. 1995. S. 6 ff) Dieser Gedankenstoß ist die Grundlage, um dialogische Verhältnisse zwischen den Räumen des Privaten, des Inneren und einer kollektiven Öffentlichkeit entstehen zu lassen. Es ist dies ein architektonischer Gedanke.
Aus der Behauptung, dass Grenzen aus einem Aufprall entstehen, geht in jedem Fall hervor, dass es zur Grenzlegung immer eine Mehrzahl braucht, sprich mindestens zwei, da eins mit und an nichts aufprallen und daher auch nicht in die Konfrontation mit Grenzen, zumindest dieser plötzlichen Art, kommen kann. Räumlich, architektonisch gesehen, ist hier von der Beziehung zwischen öffentlich und privat, zwischen innen und außen die Rede. Wenngleich auch der Aufprall zwar eine Grenze oder besser eine Grenzsituation wahrnehmbar macht, so muss diese nicht sofort als absolut verstanden werden. Sie ist in ihrer Plötzlichkeit zwar da, aber noch roh und nicht ausformuliert. Es besteht die Möglichkeit, diese Grenzsituationen zu verhandeln, zu formen und letztendlich als Freiräume zu definieren und zu gestalten.
Eine derartige Grenzbetrachtung führt uns weg davon, Grenzen als unverschiebbare, festgelegte Zustände zu begreifen, sondern fordert uns zu einem aktiven Umgang mit dem Thema der Grenze und ihrer Verhältnismäßigkeit heraus. Wir haben es damit nicht mehr mit einem Raum des Vorherbestimmten, sondern mit einem Raum, den ich als einen des Operativen bezeichnen möchte, zu tun, einem, der erst aus dem Handlungsmodus heraus entsteht und wahrnehmbar wird. In diesem operativen Raum, der einem Freiraum gleichkommt, gewinnt unser Handeln performativen Charakter. Es werden neue Konstellationen des Miteinanderseins, damit neue Grenzlegungen und neue Räume entworfen. Möglichkeitsfelder werden offengelegt und fordern zum aktiven Raumgebrauch heraus. Ein derartiger Freiraum verfügt daher über Grenzverhältnisse, die nicht unverrückbar sind, sondern einer veränderlichen Dynamik unterliegen, welche performativ sowie situativ wirksam wird.
Für eine Architektur der Freiräume
Ein Grundprinzip von Gebäuden, die Freiräume bieten, ist also die wechselseitige Beziehung zwischen dem Privaten und dem Öffentlichen und deren Ausgestaltung in Form eines ineinandergreifenden Übergangs. Nicht die Abschottung von der Umgebung und den NutzerInnen wird forciert, sondern die Möglichkeit, mit der Umgebung einen Dialog einzugehen, indem sich die Gebäude zur Außenwelt hin öffnen. Es sind nicht Gebäude, die einfach funktionsgerecht genutzt oder gar konsumiert werden, sondern solche, die durch den aktiven Austausch der NutzerInnen untereinander sowie der NutzerInnen mit ihrer Umgebung sich ständig neu konfigurieren und Möglichkeitsfelder der Bespielung aufmachen. Gefragt sind demnach Raumkonzepte und Architekturen, die einen fließenden Übergang zwischen innen und außen, gestaffelt in verschiedenen räumlichen Intensitäten, ermöglichen und so zum integrativen Bestandteil ihrer gebauten sowie sozialen Umgebung werden. „Das Konzept des Raums als im Fluss befindliche Umwelt erinnert an einen osmotischen Prozess. Statt in sich geschlossen zu bleiben, werden die jeweiligen Bedingungen, die auf beiden Seiten der durchlässigen Grenze herrschen, miteinander verquickt und hybridisiert, so dass die Schwelle hinfällig wird.“ (Angelidou. 2012. S. 37)
StadtbewohnerInnen sind Individuen, welche die Stadt bewohnen und beleben und sich zu eigen machen. Die Bedeutung von Stadt wird nicht nur physisch in ihrer gebauten Materialität verstanden, sondern auch als eine Gemeinschaft der BewohnerInnen. Das Wesen des Individuums ist es, dass es Teil einer verflochtenen Ordnung ist. Es steht im ständigen Austausch mit seiner Umgebung. Umgebung und Individuum bedingen und beeinflussen sich gegenseitig. So kommt dem Individuum ein öffentlicher und dialogischer Charakter zu und es trägt wesentlich zu einer soziokulturellen Entwicklung bei. Ein Haus der Freiräume muss demnach das Bewohnen der Stadt gewährleisten. Es muss ein Haus ohne Mauern sein, ein Vorhanghaus womöglich, das unterschiedliche Intensitäten von Raum herstellt. Der Übergang zwischen innen und außen wird nicht als Grenze im Sinne eines Zauns oder einer Mauer begriffen, sondern als aktiv bespielbarer Schwellenraum. Es ist dies ein Raum, der dazu herausfordert, mit Begegnungen zwischen dem Innen und dem Außen, die auch immer wieder mit Konflikten verbunden sind, umzugehen. Diesem Freiraum, der auch als Schwellenraum bezeichnet werden kann, ist ein überraschender, nicht strategischer und situativer Gebrauch eingeschrieben. Häuser, die als Freiräume konzipiert sind, stellen das Veränderliche dar.
Pate für derartige Raumkonzepte steht die Idee eines Lebens in einer kollektiven Öffentlichkeit anstelle des abgeschotteten privaten Innenraums. Im Vordergrund dieses Lebensmodells steht nicht das Verlangen nach Privatsphäre und Rückzug, sondern ein gemeinschaftlich gestaltetes Zusammenleben. Dazu bedarf es eines Umdenkens hinsichtlich privater Funktionen und eines Verschmelzens dieser mit der Umgebung, mit der Stadt.
Begegnet man so genannten Freiräumen in unseren Innenstädten, so stößt man zumeist auf einen überdesignten, stark vordefinierten Raum, dem klare Nutzungsvorschriften und damit Grenzlegungen eingeschrieben sind. Nur selten trifft man auf räumliche und auch ästhetische Brachflächen als noch ungenutzte Orte, denen kein vordefiniertes Programm eingeschrieben ist. Diese Orte findet man eher an den Peripherien unserer Städte, dort, wo Veränderungen stattfinden. Auch das ist bezeichnend für das Wirksamwerden von Grenzen. Es ist die Peripherie mit ihren oszillierenden Grenzen unserer Städte, der das Veränderliche eingeschrieben ist. Das Zentrum ist starr und unbeweglich. Diesem meist überdesignten öffentlichen Raum des Zentrums täten Orte der Freiräume, die oft aus ästhetischen Brachflächen entstehen, regelrecht gut. Sie würden wirksam werden entgegen einer selbstdesignten Abstumpfung hinsichtlich eines Engagements an der Grenze. Sie machen die Stadt elastisch und beweglich. Indem sie auf eindeutige Grenzlegungen verzichten, werden auch Räume nicht festgelegt, sondern regen zur Aneignung an, zu einem Bewohnen der Stadt, indem sich eine lebendige Beziehung zwischen dem Inneren der Räume und ihrer Umgebung ereignet.
„Ich möchte das Innere der Architektur so entwerfen, dass sie sich wie Außenräume anfühlen. Es ist eine neue Kategorie, die weder innen noch außen ist. Was ich damit bezwecke ist, das Unbekannte, das Unkontrollierbare, das die äußere Umwelt beinhaltet, im Inneren zu aktivieren. Kurz gesagt: Ich möchte eine neue Art von Außenraum im Gebäude schaffen.“ (Ishigami. 2012. S. 127)
Eine Architektur der Freiräume, die Orte der Raumaneignung herstellt, ist nicht eine, die uns bloß in funktionale und funktionierende Kisten verpackt, sondern eine, die uns in eine aktive Beziehung setzt mit unserer Umwelt. Die situative Aneignung von Räumen ist als Prozess der Gestaltung zu verstehen, in dem Raum als ein Beziehungsgeflecht, als ein Relationsfeld von Dingen und Menschen wirksam wird.
Franziska Hederer im Jänner 2016
Literatur
- Angelidou, Ioanna (2012): Streifzüge durch den städtischen Alltag. In: ARCH+ Zeitschrift für Architektur und Städtebau. 45. Jahrgang. August 2012. # 208 TOKIO Die Stadt bewohnen. ARCH+ Verlag GmbH. Berlin/Aachen.
- Cage, John (1995): Silence. Verlag Suhrkamp. Frankfurt a. M.
- Fischer-Lichte, Erika (2004): Ästhetik des Performativen. Verlag Suhrkamp. Frankfurt a. M.
- Ishigami, Junya. (2012): Das Ende des Anthropischen Prinzips. In: ARCH+ Zeitschrift für Architektur und Städtebau. 45. Jahrgang. August 2012. # 208 TOKIO Die Stadt bewohnen. ARCH+ Verlag GmbH. Berlin/Aachen.
- Latour, Bruno (1967): Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft. Verlag Suhrkamp. Frankfurt a. M.
- Sloterdijk, Peter (2007): Der ästhetische Imperativ. Fundus Bücher Verlag der Kunst. Dresden.
Beitragsbild: Rosensteinstraße/Stuttgart 06.2015, Printschler (ÖRBS)