Frei. Raum. (RB)
Frei. Raum.
Frei und Raum. Beide Begriffe verschleiern ihre Bedeutung. Ihre Vereinigung potenziert die Verschleierung in einer Subjektivität die jede eindeutige Definition hinfällig macht. Deshalb versuche ich mich an Martin Heideggers Essay zu „Die Kunst und der Raum“ nachzugehen um den Freiraum zu verstehen.[1]
Laut Heidegger geschieht das Gestalten im Abgrenzen als Ein- und Ausgrenzen von Raum. Er fragt ob das Besetzen von Raum durch eine Plastik die Besitzergreifung des Raumes ist und ob dies die technisch wissenschaftliche Eroberung des Raumes ist? Weiter fragt er ob der Raum derselbe bleibt, wenn man ihn auf künstlerische und auf technische Weise zu definieren versucht?
Genauso könnte man sich die Frage stellen ob eine Nutzung einen Raum besetzen kann und dies dann auch die technisch wissenschaftliche Eroberung des Raums wäre? Wie würde man den Raum dann definieren?
Weiter liefert Heidegger eine Annahme für den technischen Raum: „Der Raum – der nach seiner technischen Bestimmung jenes gleichförmige, an keiner der möglichen Stellen ausgezeichnete, nach jeder Richtung hin gleichwertige, aber sinnlich nicht wahrnehmbare Auseinander ist?“
Für mich verstehe ich das so: Raum ist immer und überall da. Er hat keine Begrenzung. Er ist wie ein Koordinatensystem das gefüllt werden kann. Heidegger beschreibt ein Kräftemessen zwischen Raum und Mensch, die sich gegenseitig bezwingen wollen.
„Der Raum – der inzwischen in steigendem Maße immer hartnäckiger den modernen Menschen zu seiner letzten Beherrschbarkeit herausfordert.“
Ist dann der Versuch eine Definition für einen Freiraums zu finden der Versuch den Raum beherrschbar zu machen? Ihm eine Nutzung aufzuzwängen?
„Ist dieser physikalisch- technische Raum der einzig wahre Raum und sind künstlerische, gefügte und alltägliche Räume nur subjektive bedingte Vorformen des objektiven kosmischen Raums?“ stellt Heidegger weiter in Frage. Unentschieden bleibt nach Heidegger auch, auf welche Weise der Raum ist und ob ihm überhaupt ein sein zugesprochen werden kann.
Gibt es nur den einen definierten mathematischen Raum? Oder gibt es auch noch andere Räume die sich nicht klar bestimmen lassen?
Nach Goethe herrscht eine menschliche Angst vor dem Raum, denn hinter dem Raum, so scheint es, gibt es nichts mehr worauf er zurückgeführt werden kann. Vor ihm gibt es kein ausweichen zu anderem. Das dem Raum Eigentümliche muss sich von ihm selbst her zeigen.
Was Raum ist, kann nur durch seine Eigenschaften erklärt werden. Diese Eigenschaften zeigen sich laut Heidegger wie folgt:
„Der Raum – der innerhalb plastischer Gebilde wie ein vorhandener Gegenstand vorgefunden werden kann“
„Der Raum – den die Volumen der Figur umschließen“
„Der Raum – der als Leere zwischen den Volumen besteht“
Sind diese drei Räume nur Abkömmlinge des physikalisch- technischen Raumes?
Führen diese Eigenschaften wieder zu der Erkenntnis, dass es nur den einen physikalischen Raum gibt? Wie findet man das Eigentümliche des Raums? Laut Heidegger hält die Sprache als einen Notweg, einen letzten Strohhalm an dem man sich halten kann bereit sich dem Eigentümlichen des Raumes zu nähern. So sagt er über das Räumen:
„Das Räumen bedeutet roden, die Wildnis freimachen.“
„Das Räumen – erbringt das Freie, das Offene für ein Siedeln und Wohnen des Menschen.“
„Das Räumen – in sein Eigenes gedacht, Freigabe von Orten, an denen Schicksale des wohnenden Menschen sich ins Heile einer Heimat oder ins Unheil der Heimatlosigkeit oder gar in die Gleichgültigkeit gegenüber beider kehren.“
„Das Räumen – ist Freigabe der Orte an denen ein Gott erscheint, an denen das Erscheinen des Göttlichen lange zögert.“
„Das Räumen – ist die Freigabe von Orten. Räumen ist ein Geschehen.“
„Das Räumen – als einräumen und einrichten.“
Ist also ein „geräumter“ Ort der Freiraum? Oder muss man weiter fragen was bedeutet denn räumen? Der Philosoph hat diese Frage wie folgt behandelt:
„Das Einräumen – gibt etwas zu. Es lässt Offenes walten das unter anderem das Erscheinen anwesender Dinge zulässt an die menschliches wohnen sich verwiesen sieht.“
„Das Einräumen – bereitet den Dingen die Möglichkeit an ihr jeweiliges Wohin und aus diesem her zueinander zu gehören.“
„Das Einräumen – geschieht die Gewährnis von Orten. Der Ort öffnet jeweils eine Gegend indem er die die Dinge auf das Zusammengehören in Ihr versammelt.“
Sind Orte also erst und nur das Ergebnis und die Folge des Einräumens?
Sind die Dinge selbst die Orte und nicht nur die, die an einen Ort gehören?
„Ort befindet sich nicht im vorgegebenen Raum, dieser entfaltet sich erst durch das walten von orten einer Gegend. Die Plastik nicht mehr die Besitzergreifung von Raum sondern die Auseinandersetzung mit ihm. Die Plastik als Verkörperung des Ortes. Die Leere des Raums ist kein Mangel, sondern ist mit dem eigentümlichen des Orts verschwistert und darum kein fehlen sondern ein hervorbringen. Die Leere ist nicht nichts. Leere stiftet Orte.“
Was ist nun der Freiraum? Ist es ein Volumen? Eine Sphäre die allgegenwärtig ist? Oder bilden die Dinge selbst erst den Raum? Oder ist der Freiraum ein Raum der einfach nur selbst Frei von all diesen Ansprüchen ist die an ihn gestellt werden. Ein Raum der nicht bespielt wird, ein Raum an dem sich keiner gerne Aufhält und seine Persönlichkeit entfaltet? Ist der Freiraum vielleicht einfach nur ein freier Raum? Der Raum selbst, der sich von Konventionen und Erwartungen löst ein wahrer Freiraum?
Raphaela Buchberger (Stuttgart 10/2015)
[1] Martin Heidegger, Die Kunst und der Raum, erkerverlag st. Gallen, 1969, 3. Auflage 1996